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   „Ich bin immer von Buddhas umgeben“, Interview mit Dawa Lhadipa


Dawa Lhadipa ist ein berühmter buddhistischer Künstler, der Klöster ausmalt und Thangkas malt. Er hat die Malereien im Zentrum Karma Gön, in der Nähe von Malaga in Spanien ausgeführt.


Frage: Wie ist es dazu gekommen, dass du die Malereien im Zentrum Karma Gön in Spanien ausgeführt hast?

Antwort: Pedro Gomez lud mich dazu ein, dieses Projekt - die Thaye Dorje Gompa in Karma Gön auszumalen – durchzuführen. Wir trafen uns zum ersten Mal in Rumtek, und ich bekam einen Auftrag für Mahakala- Thangkas. Vier Jahre später begegneten wir uns in Kathmandu, wo wir beschlossen dieses Projekt der Gompa-Malereien zu starten.

F: War das deine erste Arbeit in Europa?

A: Ja, es ist meine erste Arbeit hier. Zuvor arbeitete ich in den USA, Asien, Singapur, Malaysia, Indien und Nepal.

F: Welche Schritte beinhaltet ein solches Projekt, und wer entscheidet über die Motive an den Wänden?

A: Normalerweise sagt der Sponsor, also hier Pedro Gomez, wie seine Vorstellung von den zu malenden Motiven ist. Aber das letzte Wort hat der Lama, in unserem Fall also der 17. Karmapa Thaye Dorje. Als wir uns im Klaren waren, was wir tun wollten, reiste ich nach Kalimpong in Indien, um Karmapa davon zu berichten. Er riet mir, zusätzlich zu den vorgeschlagenen Motiven auch einige besondere wie die „Sechs Ornamente“ [Fußnote: Sechs große indische Gelehrte] und die „Fünf Mahakalas“ zu malen. Nur in Klöstern oder Zentren, wo es keinen Lama, Sponsor oder niemanden mit klaren Ideen, was zu malen ist, gibt, habe ich das letzte Wort. Die Malereien in der Gompa von Karma Gön zeigen in groben Zügen das Leben des historischen Buddha Shakyamuni, die 16 Arhats, die acht Erscheinungsformen von Guru Rinpoche, die Karma Kagyü Linie und die Geschichte der 16 Karmapas. Hinzu kommen die Malereien im Mahakala-Raum und einige Buddha-Aspekte.

F: Wann wurde dir klar, dass du malen und das auch zu deinem Beruf machen willst? Denkst du, dass du schon in früheren Leben ein Maler warst?

A: Vielleicht war ich das (Dawa lacht). Als ich noch sehr klein war, etwa fünf Jahre alt, hatte ich schon Erinnerungen an das Malen von Buddhas. Meine Eltern verstanden das zuerst nicht,und ich musste mein Studium der Malerei aufschieben. Als ich 13 Jahre alt war, bekam ich die Erlaubnis meiner Eltern und begann ernsthaft mit dem Studium.

F: Gibt es in deiner Familie eine Maler-Tradition?

A: Ja, einer meiner Großväter war ein großer Künstler und großartiger Lama. Ich traf ihn niemals, aber ich bewundere die große Schönheit und Perfektion seiner Arbeit. Unsere Stile sind sehr ähnlich, da wir zur gleichen Kunst-Schule, der Karma Gadri, gehören. In der Gegend, in der ich geboren wurde, in Yolmo in Nepal, gibt es viele Klöster. Vor langer Zeit besuchten der 13. Karmapa und der 10. Shamarpa diese Klöster und das hatte großen Einfluss auf meinen Großvater, der für eines davon verantwortlich war. Deswegen folgte er dieser Tradition. Als der 10. Shamarpa und der 13. Karmapa unsere Gegend besuchten, spendeten sie diesem Kloster zwei Statuen und einige Thangkas. Es ist auch das Kloster des 8. Shamarpa, ich komme aus der gleichen Familie wie er.

F: Wann und für wie lange hast du diese Kunst studiert?

A: Die Kunst des Malens lernte ich von privaten Lehrern, weil es keine Schulen gibt, die das offiziell lehren. Mein erster Lehrer war Gega Lama, mit dem ich eineinhalb Jahre verbrachte. Danach lernte ich bei anderen Lehrern wie Tashi Tsewang. Jeder gab mir ausführliche Belehrungen über Mandalas, Stupas, Mantras, die Maße, die Farben usw. In früheren Zeiten erforderte eine vollständige Ausbildung 13 Jahre, und wenn das nicht möglich war, dann zumindest neun Jahre. Heutzutage ist es sehr unwahrscheinlich, dass jemand für so lange Zeit studiert, weil die Leute sehr schnell lernen wollen. Sie nehmen sich heute zwei bis fünf Jahre um sich alles anzueignen und fangen dann zu arbeiten an. Ich begann mit meinem Studium mit 13 Jahren, und es war schwierig abzuschließen, da es nicht möglich war, kontinuierlich zu lernen. Manchmal konnte ich nicht zu dem Lehrer gehen, weil er zu weit weg lebte. Manchmal fand ich ihn nicht, und es kam auch vor, dass ich zugleich lernen und arbeiten musste.

F: Wie wurde dein Studium abgeschlossen, gab es einen Abschlusstest?

A: Nein, ich hatte kein festes Programm zu absolvieren. Ich hatte und habe immer das Gefühl zu lernen und zugleich daran zu arbeiten die Techniken zu perfektionieren. Es ist sehr schwer zu bestimmen, wann die Ausbildung eines Künstlers vollendet ist. Man kann vielleicht sagen: wenn der Lama einem eines Tages sagt, man solle ein Kloster ausmalen (Dawa lacht). Deswegen haben wir keine Examen und keinen Abschlusstest und arbeiten also nicht mit einem Notensystem wie in Schulen. Die Arbeitsweise ist, zu lernen und zusammen zu arbeiten, was aber nicht heißt, dass wir gar nicht beurteilt würden. In der Tat werden wir kontinuierlich geprüft und natürlich müssen wir unserem Lehrer unsere Arbeit zeigen,denn so sieht er unseren Fortschritt. Man kann sagen, meine „Abschlussarbeit“ erfolgte bei Tenga Rinpoche. Als ich meine Lehre bei ihm beendet hatte, hatte ich immer noch das Gefühl nicht fertig zu sein und ging zu Gega Lama um nach weiteren Unterweisungen zu fragen. Als er meine Arbeit sah, sagte er, dass er mir nichts weiter beibringen könne und dass ich sogar besser als er malen würde. Sein Ratschlag war: „Du bist ein ausgezeichneter Künstler. Jetzt entwickle deine Fähigkeiten und arbeite weiter für den Dharma und den Nutzen aller Wesen. Danke für dein Kommen.“ Danach fing ich an meinen Fortschritt selbst zu gestalten und ohne Aufsicht eines Lehrers zu malen. Seit dieser Zeit arbeitete ich in 27 Klöstern und malte viele Thangkas und Wandmalereien.

F: Welches Wissen braucht man um Buddhas zu malen? Muss man den Dharma kennen?

A: Aus künstlerischer Sicht muss man viel zeichnen und viele Bücher lesen über kanonische Ikonometrie, Symbolik, Proportionen und Maße der Formen und Figuren. Neben dem Erlernen der Technik ist es unerlässlich einige Jahre dem Dharma-Studium zu widmen. In meinem Fall musste ich die Belehrungen bei anderen Lehrern suchen als denen, die mir die Maltechniken beibrachten. Die Dharma-Belehrungen lernte ich vor allem im Ka-Nying- Kloster, einer Mischung aus Nyingma- und Kagyü-Traditionen. Meine Dharma-Lehrer kamen vor allem aus diesem Kloster, doch meine ganze Familie gehörte zur Karma-Kagyü-Schule. Zuerst studierte ich einige Jahre in Yolmo Gangra, Kathmandu und Rumtek, und später dann mit privaten Lehrern.

F: Denkst du, dass es andere Leute mit den gleichen Fähigkeiten gibt oder können wir sagen, du bist zur Zeit der Halter dieser Tradition?

A: Nein, das kann ich nicht von mir sagen. Obwohl es stimmt, dass einige viel Wissen, aber wenig künstlerische Entwicklung haben oder umgekehrt viele künstlerischen Fähigkeiten aber wenig Wissen. Andere haben zwar gute künstlerische Qualitäten, aber sie sind so von Samsara beeinflusst, dass ihre geistige Ausrichtung und Hingabe mehr Entwicklung benötigen würde. Ich habe viele Schüler in Indien und Nepal. Im Jahr 2000 war ich in Singapur um ein Karma Kagyü Zentrum auszumalen. In dieser Zeit kamen viele Leute zu mir und baten um einen Kurs über die Kunst des Malens. Ich gab dort einen Grundkurs für 35 Schüler. Ich befürchte aber, sie haben Vieles vergessen, denn ich kehrte nie dahin zurück.

F: Wie ist deine Arbeitsweise und welche Mittel benutzt du?

A: Ich arbeite vor allem aus dem Gedächtnis und manchmal - für bestimmte Details - brauche ich die Hilfe eines Buches. Die tibetische Kunst kennt keine künstlerische Kreativität, sondern wir malen einfach die Buddhas und ihre Lehren. Mein Arbeitsmaterial ist sehr einfach: Stifte, Radiergummis, Pinsel und das Wichtigste: meine Hände. Ohne sie geht es nicht. (Dawa lacht.)

F: Ist es eine Art Meditation, wenn du malst? Die Schüler des Übersetzerkurses für Tibetisch in Karma Gön nahmen eine Manjushri-Einweihung. Gibt es in ähnlicher Weise eine Einweihung oder spezielle Mantras für die Künstler?

A: Diese Frage berührt etwas für den Künstler sehr Wichtiges. Es ist immer gut zu meditieren, ganz gleich welche Aktivität man ausführt. Und natürlich auch, wenn man sich dem Malen der Buddhas verschrieben hat. Viele Künstler wissen aber nicht, wie man meditiert. Ich habe gehört, dass die guten Künstler und Lamas nicht meditieren müssen, weil sie immer die Aspekte von Lama, Yidam und Schützer vergegenwärtigen. Ein spezielles Mantra für das Malen habe ich nicht, aber natürlich ist das Manjushri-Mantra sehr gut. Um zu verstehen was ich male, muss ich jedoch all die Mantras und Details kennen.

F: Gibt es Regeln, Voraussetzungen oder Aktivitäten die nicht erlaubt sind während man diese Arbeit macht? So zum Beispiel Fleisch, Knoblauch, Zwiebeln essen, Alkohol trinken, Sex haben?

A: Eine der wichtigsten Voraussetzungen ist Zeit zu haben. (Dawa lacht.) Wenn man etwas von diesen Sachen nicht tut, ist das in Ordnung, aber es ist keine besondere Voraussetzung für den Künstler.

F: Wie können Bilder dem Praktizierenden in der Meditation helfen?

A: Das ist ein wichtiger Punkt. Die Bilder und die Thangkas in einer Gompa können in der Meditation sehr hilfreich sein, denn sie wurden speziell für die Vergegenwärtigung des Praktizierenden gemacht. Das hängt ab von der Ebene der Details und der Technik des Schaffenden. Es gibt einen nahen Zusammenhang zwischen der Ausführlichkeit der Details in der Arbeit und den Vorbereitungen und der Präzision des Malers.

F: Und mit den Farben?

A: Die Farben haben direkt mit meinem Stil zu tun. Sie sind Teil meiner speziellen Kunstform und ich setze sie entsprechend der Karma Gardri Tradition ein.

F: Wie ist es möglich, dass du nach so vielen Stunden Arbeit am Tag, manchmal 12 Stunden, noch so frisch, aufmerksam und kreativ bist?

A: Ich glaube gar nicht, dass das so sehr der Fall ist… aber manchmal überrascht es mich auch. Ich bekam von vielen Rinpoches und Lamas sehr guten und Glück verheißenden Segen, den ich stark spüre.

F: Hast du irgendwelche besonderen Erinnerungen an bestimmte Situationen in den Stellen, wo du gearbeitet hast?

A: Ja, in all den Klöstern in denen ich gearbeitet habe, erlebte ich außergewöhnliche Dinge. Ich bin immer von Buddhas umgeben und erlebe immer sehr besondere Ereignisse. In all den Jahren habe ich viele Erfahrungen gemacht und Anekdoten gesammelt, aber jetzt ist nicht die Zeit sie zu erzählen. Ich werde sie später einmal wiedergeben.

F: Wie siehst du den Unterschied zwischen den Europäern und den Asiaten in den Klöstern?

A: In jedem Kloster und Dharma-Zentrum gibt es Mönche und vorzügliche Menschen, diesbezüglich gibt es keinen Unterschied zwischen den Ländern und Kulturen. Ich erinnere mich sehr gut an diese Menschen in den verschiedenen Stellen, an denen ich gearbeitet habe. Obwohl ich eigentlich die meiste Zeit oben auf einem Gerüst zwischen den Buddhas verbringe. (Dawa lacht.)

F: Hast du Pläne, im Westen eine Art Malschule zu eröffnen?

A: Ja, das würde ich gerne, es ist tatsächlich meine Vision und ich hatte Träume davon eine Schule zu gründen um unsere Mal-Tradition zu bewahren. Auch Seine Heiligkeit der 17. Karmapa Thaye Dorje und Pedro Gomez sind sehr interessiert an dem Projekt einer Malschule der Karma Gardri Tradition. Aber im Moment müssen wir erstmal noch mehr gute Wünsche machen. (Dawa lacht.)

F: Wann ist der Karma Gardri Mal-Stil entstanden?

A: Er ist sehr alt, ungefähr aus der Zeit des 7. Karmapa, um 1471. Einige sagen, dass sie bereits mit dem 3. Karmapa im Jahre 1325 begann, denn er war ein berühmter Astrologe und wurde auch als Künstler angesehen. Der geographische Ursprung war in Karma Gön in Ost-Tibet und nun kam Karma Gadri nach Spanien ins zweite Karma Gön. (Dawa lacht.)

F: Hättest du Lust ein Buch über diese Kunst zu schreiben?

A: Es haben mich schon viele Leute darum gebeten. Obwohl es eine gute Idee ist, denke ich dass wir zuerst eine Schule brauchen, denn es gibt zwar viele Bücher, aber sie zu lesen reicht nicht aus um die Sache zu erlernen. Lieber zuerst eine Schule starten - und dann, wenn alle Bedingungen stimmen, wird das Buch kommen.

F: Hast du einen besonderen Wunsch, was du in Zukunft gerne tun wirst?

A: Ja, ich habe einen speziellen Wunsch: Ich möchte Erleuchtung erlangen, obwohl ich das vielleicht nicht schaffen werde. (Dawa lacht.) Im Ernst: mein Wunsch für dieses Leben ist, diese Schule der Karma Gardri Tradition zu begründen. Das ist für den Dharma und die Karma Kagyü Linie wichtig. Es ist ein Weg um diese Tradition zu bewahren und zu übertragen, ein wesentlicher Teil unserer Arbeit zur Erleuchtung und so von Nutzen für alle Wesen.

F: Wir hoffen, dass in zehn Jahren alle Bedingungen gegeben sind, so dass wir uns in einer Klasse wieder finden mit dir als großartigem Lehrer!

A: Ich wünsche auch, dass euer Wunsch wahr wird, so dass ihr genauso viel Freude an der Schule habt wie ich am Lehren!


Interviewer: Agnieszka Nowinska und Eduardo Bombarelli

Aus dem Englischen von Detlev Göbel und Claudia Knoll

April 10, 2006

Informationen über Dawa Lhadipa HIER




Dearest Dharma-Friends Everywhere,

Those of us who could enjoy the superb Buddhaforms on the walls of the great Karma Gon meditation hall in Spain will know the exquisite art of Dawa Lhadipa. Hannah and I know Dawa back to the times in Rumtek, Sikkim, and remember the wish of our great 16th Karmapa that this noble Karma Gardri tradition be preserved for the future.

For that reason, we fully support Dawa’s idealistic work in setting up painting schools in several countries. They bring the Buddhas close and are fine gifts to our transmission by an excellent and skilled artist.

May he have success.

Yours

Hannah and Lama Ole Nydahl


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